Dr. Christoph Benn: „Wir brauchen verbesserte Diagnostik und wir brauchen sie flächendeckend vor Ort.”
GP Interview zu den Herausforderungen der Corona-Diagnostik im Globalen Süden und der Verantwortung Deutschlands in der EU
Dr. Christoph Benn ist Arzt mit Spezialisierung in Tropenmedizin und Public Health und mehr als 30-jähriger Erfahrung in der globalen Gesundheitsversorgung. Dr. Christoph Benn war 2002 als einer der ersten Vorstandsmitglieder beteiligt an der Gründung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Unter seiner Leitung hat der Globale Fonds mehr als 60 Milliarden US$ eingeworben und damit Millionen von Menschen in über 150 Ländern Zugang zu Behandlung und Prävention der drei großen Infektionskrankheiten ermöglicht.
Seit 2019 ist Dr. Christoph Benn Director for Global Health Diplomacy am Joep Lange Institut mit Sitz in Amsterdam und Genf. Der Fokus des Instituts liegt auf der Umsetzung des UN-Plans, bis zum Jahr 2030 allen Menschen auf der Welt Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten zu ermöglichen.
GP Video-Interview mit Dr. Christoph Benn
Anstieg lebensbedrohlicher Krankheiten
„Die Zahlen derer, die mit COVID-19 infiziert oder daran gestorben sind, ist hoch, aber man muss davon ausgehen, dass noch viel mehr an anderen Krankheiten sterben werden, die indirekt von der Pandemie betroffen sind“, so Dr. Christoph Benn. Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria schätzt, dass 1,4 Mrd. Menschen allein an diesen drei größten Infektionskrankheiten sterben werden. Gründe hierfür seien unterbrochene Lieferketten, überfüllte Krankenhäuser, die keine Patient*innen mehr annehmen oder diese mit Medikamenten versorgen können.
„Wir müssen die Basisgesundheitsdienste stärken, die dafür verantwortlich sind, dass die Menschen doch noch an ihre Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten kommen können.“
Testen hilft!
„Impfstoffe und wirksame Behandlungsmethoden sind im Grunde ja Versprechen auf die Zukunft“, betont Dr. Christoph Benn. „Diagnostika hingegen haben wir bereits. Gerade in Deutschland wissen wir auch, wie wichtig es war, dass so früh und so umfangreich getestet werden konnte, denn erst dann kann man die Infektionsketten nachvollziehen.“ Genau das fehle aber in den meisten Ländern des globalen Südens, besonders in Afrika.
Der ACT-Accelerator zu Diagnostika, geleitet von der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND) und dem Globalen Fonds, sei aber noch extrem unterfinanziert.
„Wir brauchen verbesserte Diagnostika und wir brauchen sie flächendeckend vor Ort. Das ist möglich. Wir müssen nicht auf neue Forschung warten, aber es muss umgesetzt und finanziert werden“, fordert Dr. Christoph Benn.
Europa muss global denken
Der Plan der deutschen Bundesregierung zur EU-Ratspräsidentschaft sei eindrucksvoll und ehrgeizig. „COVID-19 läuft als roter Faden durch das ganze Programm. Aber ich habe auch gesehen, dass die globale Situation noch sehr wenig im Fokus steht“, bemerkt Dr. Christoph Benn.
„Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung konkret, dass die Maßnahmen, die jetzt angedacht und geplant werden, immer auch die globale Komponente mit einbeziehen.“
Die Länder des globalen Südens stünden massiv unter Druck, da ihre lokalen Gesundheitssysteme unter der Last Coronas zusammenbrechen. „Hier muss die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen Schwerpunkt setzen und kann es auch.“
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Ansprechperson:
Silvia Mayr, Project Management
s.mayr@globalperspectives.org
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